
24. Dezember 2020



Die aus dem Waldenburger Bergland stammende Kastenkrippe, in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gefertigt, ist nicht nur aufgrund der hohen Kunstfertigkeit ihres Herstellers ein herausragendes Sammlungsstück, sondern vor allem auch wegen ihres sehr spannenden und glücklicherweise gut dokumentierten Schicksals. Die Krippe hat eine außergewöhnliche Migrationsgeschichte, die sie zweimal über den „großen Teich“ und nach fast 80 Jahren zurück nach Deutschland führte.
„Nach meinen Informationen“, schrieb der zuletzt in den USA lebende Besitzer, als er die Krippe an HAUS SCHLESIEN schenkte, „kam die Waldenburger Krippe aus Waldenburg, einem kleinen Städtchen, das sich in der hügeligen Landschaft 80 km südwestlich von Breslau befand. Die Bauern und Waldarbeiter in diesem Bereich benötigten in den Wintermonaten ein zusätzliches Einkommen, und einige der erfahrenen Holzschnitzer waren auf die Herstellung von Krippen spezialisiert. […] Mein Vater, welcher Arzt in Breslau war, erhielt diese Informationen [über die Krippe] von seinem Vater, der im späten 19. Jahrhundert starb. Ich wurde im letzten Jahr des Ersten Weltkrieges im Deutschen Kaiserreich geboren, in der Provinz Schlesien, in der Stadt Breslau. […] Zu den schönsten Erinnerungen meiner Kindheit zählten die Weihnachtsfeiern. Die ganze Familie war auf unserem Landgut, welches sich in der Nähe des Zobtenberges, dem heiligen Berg der Schlesier befand, vereint. Das Zentrum dieser Tradition, das sich nie veränderte, war unsere Waldenburger Krippe am Fuße eines großen Weihnachtsbaumes. Für den Rest des Jahres wurde die Krippe sorgfältig verpackt und in einem großen Abstellraum neben dem Schlafzimmer meiner Eltern gelagert. Es ist unnötig zu sagen, dass sowohl die Familie wie geladene Gäste alles über diese Krippe, die einzigartig war, wissen wollten. Nachdem mein Vater von seinem Militärdienst im Ersten Weltkrieg zurückkehrte, erforschte er die Gegend in Schlesien und fand nur zwei weitere Exemplare dieser Waldenburger Krippe: eine in dem Museum in Breslau und eine weitere auf dem Anwesen eines Verwandten. In der Zeit, als ich das Gymnasium besuchte, sah ich während unserer jährlichen Exkursionen die Krippe im Museum. Bei einer anderen Gelegenheit besuchte ich mit meinem Vater unsere nächsten Angehörigen, wo sich die weitere Krippe befand. […]
In den 1930er Jahren erschienen Rauchwolken am Horizont, die Krieg bedeuteten. Unsere Familie packte alle Sachen, die sie konnte, und verließ [1935] Deutschland. Während viele wertvolle Gegenstände zurückgelassen wurden, hat mein Vater bestimmt, dass die Krippe uns nach Chicago begleiten müsse. Nach seinem Tod und unserem Umzug nach Los Angeles reservierten meine Frau und ich in der zweiten Etage unseres Hauses eine Ecke für eine Kapelle, von der die Krippe der Mittelpunkt war. Während meiner 25 Jahre als Groß-Prior des Johanniter Ordens in den Vereinigten Staaten feierten Kardinäle, Patriarchen und andere hochrangige Würdenträger Messen in unserem Heim und bewunderten und lobten diese besondere Krippe. Jetzt aber ist die Zeit in meinem eigenen Leben gekommen, um Abschied von diesem kostbaren Stück zu nehmen und um diese Waldenburger Krippe in ihre Heimat zurückzugeben. Die neue Heimat soll das HAUS SCHLESIEN in Königswinter sein.“ Und so wurde die Krippe 2012 aus den USA über den Atlantik verschifft und kam nach der Bewältigung der nicht unkomplizierten Zollformalitäten in das HAUS SCHLESIEN, wo sie seitdem die Sammlung bereichert.