Schloss Kamenz- Feenschloss und Trutzburg
„Das Innere des Schlosses in allen seinen Einzelheiten läßt sich nicht beschreiben, man muß es sehen. Es erregt hier Alles das höchste Erstaunen, die größte Bewunderung. Gegen hundert Zimmer und Säle sind in jeder Beziehung so zweckentsprechend, geschmackvoll und mit den verschiedensten Kunstgegenständen ausgestattet, dass man in ein Feenschloß verzaubert zu sein glaubt. Auch die Zinnen des Schlosses erregen Erstaunen und Bewunderung durch die wahrhaft malerisch schöne Aussicht, die sie dem Auge darbieten. Man erfreut sich hier eines der schönsten Rundgemälde Schlesiens.“ Julius Peter: Frankenstein, Camenz und Wartha. 1885 Glatz
Bald nachdem Prinzessin Marianne das Erbe ihrer 1837 verstorbenen Mutter angetreten und am 28. April 1838 Kamenz zum ersten Mal besucht hatte, betraute sie Karl Friedrich Schinkel mit der Planung einer Schlossanlage oberhalb des alten Klosters. Der erste Entwurf, den der geniale Architekt ohne genaue Kenntnis des hügeligen Terrains des Bauplatzes auf dem Harthaberg zeichnete, zeigt ein von Ecktürmen und einer dekorierten Außenfassade geprägtes Gebäude in italienischen Renaissanceformen. Nach Erteilung des Bauauftrages besuchte auch Schinkel im April 1838 erstmals Kamenz. Beeindruckt von der Vorgebirgslandschaft folgte er der Idee des Fürsten von Pückler-Muskau, dass ein Schloss in der Landschaft ebenso auf die Ansicht wie auf die Aussicht berechnet sein müsse und zeichnete den zweiten Entwurf im Stil der Neugotik. Dessen pittoreske Formen orientierten sich an Vorbildern wie der Marienburg und mittelalterlichen Kastellen Siziliens, aber auch an neugotischen Schlössern Englands, die Schinkel auf seinen Reise 1826 kennen gelernt hatte. Als Bauleiter vor Ort wurde im Mai 1838 Ferdinand Martius (1811-1889) berufen, der gerade seine staatliche Baumeisterprüfung absolviert hatte. Dieser ließ das Terrain einebnen, so dass am 15. Oktober 1838 im Beisein des Prinzenpaares und Schinkels der Grundstein gelegt werden konnte. In Folge wurde dann der dritte Entwurf Schinkels realisiert, bei dessen Umsetzung Martius die undankbare Aufgabe zufiel, Mittler zwischen dem Architekten und der anspruchsvollen Prinzessin zu sein, die sehr selbstbewusst ihre eigenen Ideen zu verwirklichen versuchte. Als Schinkel im Oktober 1841 nur drei Jahre nach Baubeginn starb, modifizierte Martius, der nun den Titel eines Hofbaumeisters erhielt, die ursprünglichen Pläne nur noch gering. So wurde die von Schinkel geplante Raumfolge nahezu unverändert realisiert. Architektonische Höhepunkte waren die Repräsentationsräume im Hauptgeschoss, darunter der mit Wandmalereien geschmückte stützenlosen Speisesaal und die große Halle, die dem „Großen Remter“ der Marienburg nachgestellt war. Für diese Räume fertigte Martius Entwürfe der neugotischen Möblierung, die bei einer internationalen Kunstausstellung in München 1869 ein gefälliges Interesse erregte. 1866 kam es infolge des Preußisch-österreichischen Krieges, 1870/71 durch den deutsch-französischen Krieg zu Bauunterbrechungen. Mit der Aufstellung der Siegessäule, darauf die Kopie der griechischen Göttin Nike von Christian Daniel Rauch, wurde die Schlossanlage im Mai 1872 vollendet.
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