Kamenz in Zeiten des Friedens
„Und die prächtigste Blume in diesem Garten Schlesiens, der Glanzpunkt in dieser „reizendsten Gegend der Welt“ [Zitat Friedrichs II. von Preußen] ist unstreitig das heute vielbesuchte Camenz mit seinem imposanten Schloß und herrlichen Park, seiner alten, aber immer noch schönen, weithin leuchtenden und berühmten katholischen Kirche, seiner neuen, mit hohem, schlanken Thurm gezierten evangelischen Kirche und seinen netten, freundlichen Häusern“ Julius Peter: Frankenstein, Camenz und Wartha in Schlesien (…). Handbuch für Reisende und Einheimische, 1885 Glatz
Lange vor dem Bau des Schlosses hatte Schinkel die Instandsetzung der brandgeschädigten Klosterkirche eingeleitet. Durch Martius entstanden 1841 mehrere Umbauentwürfe, die jedoch nicht realisiert wurden. Nach 1889 wurde das Kircheninnere restauriert; 1904 mit der Beseitigung der historischen Putzschichten auch das Äußere.1920 wurden die den Blick auf den Hochaltar versperrenden Altäre der Heiligen Bernhard und Benedikt versetzt. Das 1817 beschädigte Chorgestühl wurde auf zwei Bänke reduziert und in den Seitenschiffen aufgestellt. Das caritative Engagement der Prinzessin Marianne bescherte der Gemeinde mehrere öffentliche Einrichtungen. Bald nach den Weberaufständen 1844/45 stiftete sie eine evangelische Schule, 1855 folgte das „Albrechtshaus“ als Heim für Waisenkinder und im deutsch-österreichischen Krieg 1866 öffnete sie auch das Schloss für ein Lazarett. Die letzte Bauaufgabe, die ihr „Hofbau-Director“ Martius erhielt, war zwischen 1875 und 1885 die Errichtung der evangelischen Pfarrkirche am Fuß des Schlossberges. Bereits 1873 wurde Kamenz an die Bahnlinie Breslau-Mittelwalde in Richtung Böhmen angeschlossen. Diese kreuzte die Strecke Liegnitz-Oppeln, so dass hier 1880 ein großer Umsteigebahnhof entstand. 1873 bezog Prinz Albrecht (Sohn)(1837-1906) das Schloss, das ihm seine Mutter anlässlich seiner Heirat mit Marie von Sachsen-Altenburg (1854-1898) geschenkt hatte. Hier wuchsen deren Söhne auf, darunter Prinz Friedrich Wilhelm (1880–1925), der zwischen 1911 und 1918 Landrat des Kreises Frankenstein war. Prinz Albrecht war seit 1871 kommandierender General im einstigen Königreich Hannover und wurde 1885 zum Regenten des Herzogtums Braunschweig gewählt. Seine Sommeraufenthalte verbrachte er weiterhin in Kamenz. Der Gemeinde tief verbunden, stiftete er 1883 als Hospital das „Mariannenstift“. Nach seinem Tod wurde sein ältester Sohn Friedrich Heinrich (*1874) Erbe. Er starb als letzter männlicher Nachkomme der „Albrechtlinie“ 1940 und wurde im Mausoleum im Park bestattet. Als am 1. September 1939 u. a. mit der Bombardierung der nur 120 Kilometer östlich von Breslau gelegenen polnischen Kleinstadt Wieluń der Zweite Weltkrieg ausbrach, begann das letzte Kapitel der deutschen Geschichte von Kamenz. Während der Krieg sich ausdehnte, die SS und die deutsche Wehrmacht in Polen und der Sowjetunion ein brutales, menschenverachtendes Besatzungsregime errichteten, wähnte man sich in Schlesien bis Ende 1944 noch in tiefem Frieden.
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