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Die dritte zisterzienserische Gründung in Schlesien, Kamenz, hat ihren Ursprung in einer Grenzfeste der böhmischen Könige. Eine felsige Platte (tschech. kâmen = Stein) nordöstlich von Wartha, im Überschwemmungsgebiet der Glatzer Neiße, bot einen strategisch wichtigen Platz zur Sicherung der böhmischen Eroberungen gegenüber den polnischen Piasten. Im 13. Jahrhundert gelangte die Region in den Besitz der schlesischen Adelsfamilie von Pogarell. 1210 wurde in Kamenz eine Propstei der Breslauer Augustiner-Chorherren gegründet. Wegen interner Streitigkeiten ließ Bischof Thomas I. von Breslau (1232-68) den Konvent aus Kamenz entfernen und übergab die Niederlassung dem Abt von Leubus.
1246 zogen Zisterzienser in die verlassenen Gebäude ein. Sie nutzten ein Siedelprivileg der Pogarell von 1230 und schufen sich durch ein geschicktes ökonomisches Konzept eine solide Existenzbasis. Ihr grundherrschaftliches Territorium erstreckte sich von der Grenze zu Böhmen bis nach Frankenstein, Münsterberg und Patschkau. Im Bau der monumentalen spätgotischen Hallenkirche St. Mariae Himmelfahrt zeigte sich die Bedeutung der Abtei. Im 18. Jahrhundert wurde die Kirche barockisiert und reich ausgestattet.
1334 verlieh Herzog Bolko II. von Münsterberg dem Kloster die weltliche Gerichtsbarkeit im Stiftsland. Die positive Entwicklung wurde im folgenden Jahrhundert durch den Einfall der Hussiten gestört. Die Reformation wirkte sich negativ auf den Fortbestand des Konvents aus. Der Dreißigjährige Krieg traf das Kloster wegen seiner strategischen Lage härter als die übrigen schlesischen Zisterzen. Den nachfolgenden Äbten, insbesondere Kaspar Kales (1661-66), Augustin Neudeck (1681–1702) und Gerhard Woywoda (1702–1732), gelang es, das ruinierte Stift wieder aufzubauen. Die Abteikirche, deren Mauerwerk allen Bränden getrotzt hatte, wurde restauriert, die Klostergebäude umgebaut und erweitert. Im näheren Umfeld entstanden eine moderne Brauerei, ein Backhaus sowie das Pfortenhaus mit der steinernen Brücke über den Mühlgraben, der Kretscham und das Vorwerk. Überall im Stiftsland wurden neue Kirchen und Pfarrhäuser erbaut. Der Konvent wuchs auf 43 Mitglieder.
Mit der Übernahme Schlesiens durch Preußen 1742 geriet das Kloster in Schulden. Die übrigen Zisterzen mussten Kamenz mit einem zinslosen Darlehen unterstützen. Auch der König Friedrich II. bedingungslos ergebene Abt Tobias Stusche (1742-57), konnte die Zahlungen nicht wesentlich reduzieren. In den letzten Jahren vor der Aufhebung lebte der Konvent von der Hand in den Mund.

„Man sprach einmal bey der königlichen Tafel von den Ketzern, der König warf einen aufmerksamen Blick auf den Abt und frug ihn, Tobias! Was meinst du, bin ich auch ein Ketzer? Ew. Majestät! Antwortete der Abt, ich weiß ja nicht, was Sie glauben.“ 
Anekdote zu einer Begegnung König Friedrich II. von Preußen mit Abt Tobias Stusche, in: Gregor Frömrich: Kurze Geschichte der ehemaligen Cistercienser-Abtey Camenz in Schlesien, von einem Mitglied derselben, Glatz 1817.

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Abt Tobias Stusche (1742-57).
Foto: Arne Franke

Abt Augustin Neudeck (1681–1702). Foto: Arne Franke

Deckenfresko in der Prälatur mit dem Zisterzienserwappen. Foto: Jürgen Remig

„Friedrich in der Kirche zu Camenz“. Holzstich von Ludwig Burger (1825-1884), 1866. Heimatkreisarchiv Frankenstein, Gütersloh

Messgewand (Casel), gestiftet durch König Friedrich II. von Preußen, um 1745.
Muzeum Kamieniec Ząbkowicki. Foto S. Gnaczy

Kelch des Abtes Tobias Stusche, Nationalmuseum Breslau. Foto: A. Podsławsa

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