Der letzte Abt von Kamenz, Placidus Hoffmann (1752-1829), leitete das Stift nur zehn Monate. Bei der Aufhebung des Klosters am 23. November 1810 bestand der Konvent aus 38 Zisterziensern, davon waren 17 in der auswärtigen Seelsorge tätig.

Das Säkularisationsedikt hatte Graf Karl Friedrich von Pfeil und Klein Ellguth, Erbherr auf Groß-Wilkau, überbracht. Er entledigte sich seines Auftrages mit Takt und Einfühlungsvermögen. Binnen vier Wochen mussten die meisten Konventualen das Kloster verlassen. Als Entschädigung erhielten sie eine monatliche Pension von bis zu 20 Talern, wovon sie Unterhalt und Wohnung zu bestreiten hatten. Der Aufforderung den Habit abzulegen, folgte eine Einmalzahlung von 30 Talern für weltliche Bekleidung. Besonders den älteren Konventualen fiel es schwer, sich in der neuen Welt zurechtzufinden. Sie hatten nicht nur ihre klösterliche Heimat, sondern auch ihren Berufungsauftrag verloren. Der Konvent wurde in alle Winde zerstreut, ging in die umliegenden Städte oder zur Aushilfe auf die Landpfarreien. Abt Placidus Hoffmann verbrachte seinen Ruhestand in Reichenstein.
Die Klosterkirche diente fortan als Pfarrkirche. Die Klostergüter gingen in die Hände von Administratoren über und wurden größtenteils versteigert. 1812 kam es zum Verkauf eines Teils der Paramente. Kunstschätze, Stiftsbibliothek und - archiv wurden nach Breslau geschafft, etliche der verbliebenen Werte verschleudert, darunter die meisten der 1702 geschaffenen 46 Abtportraits.
Das Bischöfliche Generalvikariatsamt in Breslau übernahm nach 1810 die geistliche Jurisdiktion von mehr als 600 Ordensleuten. In Kamenz hatten sich schon zuvor Auflösungserscheinungen gezeigt. Durch die häufige Auswärtstätigkeit der Mönche konnte sich monastisches Leben nicht entfalten. Eine Umfrage zur Verwendung im Dienst der Diözese, ergab für 14 der 37 aufgeführten Mönche eine schlechte Beurteilung durch Abt Placidus.
Ein beschämendes Licht auf den moralischen Verfall warf der Prozess um die Konventskasse, 1816. Sechs ehemalige Konventualen wollten den ehemaligen Prior gerichtlich zur Herausgabe der Konventkasse zwingen. Der Vorgang erhärtete, dass zisterzienserische Tugenden wie brüderliches Leben in der Gemeinschaft und gegenseitige Solidarität nicht mehr galten.
1812 gelangte Kamenz an Prinzessin Friederike Louise Wilhelmine von Preußen (1774-1837), der späteren Königin der Niederlande. Ihr Sohn, Wilhelm Friedrich Georg Ludwig von Oranien-Nassau (1792-1849), als Wilhelm II. König der Niederlande, hielt sich 1812 mehrere Monate im Exil in Kamenz auf.

„In unserer Mitte lebte Sr. Königliche Hoheit, der Erbprinz von Oranien, jetzt Sr. Majestät der König der Niederlande, durch die Sommermonate bis zum 9ten November 1812 einsam und ohne Prunk (…),
in: Gregor Frömrich: Kurze Geschichte der ehemaligen Cistercienser Abtey Kamenz, S. 195.

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Familienbild des Grafen Carl Friedrich II. von Pfeil (rechts). Ölgemälde, um 1780. Karin Gräfin von Pfeil u. Friedrich Graf von Pfeil, Bielefeld

Epitaph von Abt Placidus Hoffmann, Friedhof in Reichenstein. Foto M. Gnaczy, Kamieniec Ząbkowicki

Wappen der Familie von Pfeil aus dem Grafendiplom von 1786. Karin Gräfin von Pfeil u. Friedrich Graf von Pfeil, Bielefeld

Prinzessin Wilhelmine von Nassau-Oranien. Ölgemälde von J. F. A. Tischbein, 1789. Paleis Het Loo National Museum, Apeldoorn

Prinz Wilhelm II. von Nassau-Oranien. Ölgemälde von J. S. Copley, 1813. Paleis Het Loo National Museum, Apeldoorn

Blick auf die noch verputzte Klosterkirche von Kamenz. Foto um 1870, E. Voelkel, Glatz. Privatbesitz

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