Grüssau
1810
Kloster im Geiste der alten Grüssauer Tradition
Trotz Säkularisierung und Klosterauflösung gelang es der Ortsgemeinde über viele Generationen, die alte Grüssauer Tradition zu wahren. Vor allem die Wallfahrt und die Feste des Kirchenjahres hielten sich lebendig. Man war sich des Erbes der Zisterzienser bewusst und wünschte sich eine monastische Neubesiedlung der Abtei. In besonderer Weise setzte sich Pfarrer Joseph Lux (1850-1931) für eine Klosterneugründung ein. Mit viel Engagement und großem Geschick konnte er Pläne der Umwandlung in eine Fabrik, ein Lehrerseminar oder ein Sanatorium verhindern.
Die Wiederbelebung des Klosters Grüssau erfolgte durch deutsche Benediktiner aus der Abtei Emaus in Prag. Am 2. Juli 1919 begann nach einer Unterbrechung von 109 Jahren und am 185. Jahrestag der Konsekrierung der großen Marienkirche wieder das Chorgebet.
Unter Abt Albert Schmitt OSB (1894-1970) entwickelte sich Grüssau rasch zu einem monastisch und liturgisch bedeutsamen Zentrum, dessen Ausstrahlung weit über Schlesien hinausreichte. Umfangreiche bauliche Erneuerungen zwischen 1931 und 1944, u.a. an der Fassade der großen Abteikirche, die Restaurierung der Willmann-Fresken in der Josephskirche und des Grüssauer Gnadenbildes und die Beschaffung eines neuen Geläute ließen Grüssau wieder in altem Glanz erstrahlen.
Von 1940 bis 1945 wurde das Kloster durch die nationalsozialistischen Behörden beschlagnahmt und ein Durchgangslager für Bukowina-Deutsche, Breslauer Juden, Zwangsarbeiter aus Lothringen und Ungarn-Deutsche eingerichtet. Von den 63 Konventualen kamen 14 als Kriegsteilnehmer ums Leben.
Am 12. Mai 1946 wurden die Benediktiner gemeinsam mit der Grüssauer Ortsbevölkerung vertrieben. Der Konvent fand 1947 eine neue Klosterheimat in Bad Wimpfen am Neckar. In Grüssau zogen Ende Mai 1946 polnische Benediktinerinnen aus Lemberg ein. Sie arbeiteten vertrauensvoll mit den vier im Kloster verbliebenen Mönchen anderer Nationalität zusammen, die nicht unter das polnische Vertreibungsdekret gefallen waren. Im Übergang von der deutschen zur polnischen Ära wurde Grüssau in Krzeszów umbenannt, der Bevölkerungsaustausch war 1948 vollzogen.
Von 1971 bis 2007 übernahmen Zisterzienser aus der Abtei Wąchock, Erzdiözese Krakau, die Pfarrei Grüssau. Seither werden die Gläubigen von Weltpriestern der Diözese Liegnitz betreut.
Nach der politischen Wende von 1989 lebte die traditionsreiche Wallfahrt wieder auf.
Umfangreiche Renovierungsmaßnahmen haben die Klosteranlage heute wieder zum herausragenden kunst- und kulturhistorisches Juwel werden lassen.
„Mit der Vesper des Festes Mariä Heimsuchung wurde vor 25 Jahren das hl. Feuer des Gotteslobes wieder entzündet, das vor 109 Jahren bei der Klosteraufhebung von 1810 gewaltsam ausgelöscht worden war (…) Wir kamen nach Schlesien, hierher nach Grüssau, wo schon im Jahre 1242 die ersten Benediktiner ein Kloster gegründet hatten, das dann durch über 500 Jahre von unseren engsten Mitbrüdern, den Zisterziensern, betreut wurde. Es war ein kleiner, bescheidener, mühevoller Anfang.“
Aus der Festpredigt von P. Nikolaus von Lutterotti OSB am 2. Juli 1944, in: Ambrosius Rose (Hg.): Hirtenliebe und Heimattreue, zum Gedächtnis an P. Nikolaus von Lutterotti, Stuttgart 1957, S. 179.
Abt Albert Schmitt OSB (1894-1970), am Tage seiner Abtsweihe, 10. August 1924. Foto: Klosterarchiv Wimpfen
P. Nikolaus von Lutterotti OSB (1892-1955), letzter Prior des deutschen Benediktinerkonvents, 60. Geburtstag am 22. Juli 1952. Foto: Klosterarchiv Wimpfen
Blick vom Turm der Marienkirche auf Josephskirche und Gästehaus. Foto: Nicola Remig
Konvent der Benediktinerinnen der Allerheiligenabtei in Grüssau, ehemals Lemberg, um 1960. Foto: Klosterarchiv Grüssau/Krzeszów
Transport der neuen Glocken vom Bahnhof Grüssau zur Marienkirche, Januar 1935. Foto: Klosterarchiv Wimpfen
Ansicht der Klosteranlage, frühes 20. Jh., historische Postkarte
Luftaufnahme nach 1913, mit abgebranntem Nordturm. Foto: Klosterarchiv Wimpfen
Konventgebäude nach der Restaurierung 2007. Foto: Roland Grisar
Säkularisation in Schlesien © Dokumentations- und Informationszentrum für schlesische Landeskunde im HAUS SCHLESIEN 2010