Kloster Rauden
1810-2010
Residenz, Verfall und bischöfliches Bildungshaus
Unmittelbar nach dem Einzug des Klosters ging der Fiskus daran, die vorhandene Ausstattung der Abtei in Geldeswert umzusetzen. Am 2. April 1811 wurde das Mobiliar versteigert. Den Exkonventualen, die an der zur Pfarrkirche umgewidmeten Klosterkirche und am fortbestehenden Stiftsgymnasium tätig waren, blieben nur wenige Möbelstücke. Das Gros der noch vorhandenen Buchbestände wurde an die Gymnasialbibliotheken von Neisse, Ratibor und Oppeln abgegeben. Das Stiftsarchiv gelangte 1824 ins Provinzialarchiv Breslau. Bei der Zerstörung des Archivgebäudes im Frühjahr 1945 scheinen fast alle Raudener Bestände vernichtet worden zu sein. Während der Befreiungskriege gegen Napoleon, 1813-1814, hatte Rauden eine große Anzahl preußischer Verwundeter aufzunehmen. Die Ortsbevölkerung wurde zur Verpflegung der Kranken sowie für die Bereitstellung umfangreichen Heizmaterials verpflichtet. Nach Auflösung des Lazaretts befand sich das ehemalige Konventsgebäude in einem ruinösen Zustand und bedurfte einer gründlichen Sanierung.
Am 1. Juli 1812 waren die Grundherrschaft Rauden und die Ratiborer Stifts- und Klostergüter an den Kurprinzen von Hessen-Kassel gelangt, der diese 1820 an den Landgrafen und Fürst von Corvey Victor Amadeus von Hessen-Rotenburg, abtrat. Nach dem Tode des Landgrafen fiel das Herzogtum Ratibor an dessen Neffen, Prinz Victor von Hohenlohe-Waldenburg-Schillingsfürst. Dieser erhielt 1840 von König Friedrich Wilhelm IV. den erblichen Titel Herzog von Ratibor.
Das ehemalige Konventsgebäude in Rauden wurde nach 1820 zur herzoglichen Residenz ausgebaut. Die Familie ließ den Nordtrakt des Quadrums mit den Wirtschaftsgebäuden verbinden und einen repräsentativen Ehrenhof schaffen. Dieser öffnete sich zu einem prächtigen englischen Park und einem großen Wildpark. Im Jahre 1900 wurde die Anlage nochmals restauriert und in einigen Teilen verändert.
Bis 1945 blieb Rauden Wohnsitz der herzoglichen Familie. Beim Einmarsch der Roten Armee im Februar 1945 gingen Schloss und Kirche in Flammen auf und brannten bis auf die Umfassungsmauern ab. Die Kirche wurde 1950 in ihrer ursprünglichen mittelalterlichen Form wieder hergestellt. Am 15. August 1998 übergab der schlesische Woiwode Marek Kempski den ehemaligen Klosterkomplex an den Bischof von Gleiwitz, ks. Jan Wieczorek. Im Mai 2009 wurde nach gründlicher Sanierung ein Konferenz- und Begegnungszentrum der Diözese eingeweiht, das neben gesellschaftlichen, pädagogischen, wissenschaftlichen und kulturellen Zwecken auch für Ausstellungen genutzt werden soll.
„Das Zentrum der Zisterzienser, das über hunderte von Jahren der Festigung des Glaubens des oberschlesischen Volkes gedient hatte, das Kultur ausstrahlte und einen bedeutenden Anteil an der zivilisatorischen Entwicklung dieser Erde hatte, wurde nun der Kirche übergeben, damit es von neuem, so wie vor Jahrhunderten mit Leben, Arbeit und Gebet erschallen kann.“
Direktor (Dyr. Odbudowy) Ks. Jan Rosiek, Webseite der Pfarrei Rauden, 2009.
Wiederaufbauarbeiten am ehemaligen Konventsgebäude, 2009. Foto: Nicola Remig
Mittelalterliches Hauptportal. Foto: Inge Steinsträßer
Konventsgebäude nach der Renovierung. Foto: Nicola Remig
Einweihungsfeier des ehemaligen Konventsgebäudes als Bischöfliches Bildungshaus, Mai 2009. V.l.n.r.: Kardinal Joachim Meisner, Altabt Adalbert Kurzeja, Erzbischof Alfons Nossol. Foto: Roman Konzal
Messfeier anlässlich der Einweihung des Bischöflichen Bildungshauses in der ehemaligen Klosterkirche. Foto: Roman Konzal
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