Ein Frau unter Männern – das ist Charlotte Hoffmann nach bestandener Gesellenprüfung im Kreise des Prüfungsausschusses der Handwerkskammer Liegnitz. Charlotte hatte einen für eine junge Frau damals ungewöhnlichen Beufsweg eingeschlagen und eine Lehre als Malerin und Lackiererin absolviert. Das Bild zeigt sie Ende März 1932 nach ihrer Abschlussprüfung, die sie mit der Note „gut“ bestanden hat. Es gab also Grund zu feiern. Wie ungewöhnlich diese Berufswahl für eine Frau war, zeigt schon ihr Prüfungszeugnis – eine weibliche Form war gar nicht vorgesehen und musste überall handschriftlich ergänzt werden.
Charlotte Hoffmann wurde 1915 in Freiwaldau in Niederschlesien geboren. Ihr Vater Gustav war Kunstmaler und Kirchenrestaurator und hatte an mehreren Orten in Schlesien Restaurierungsaufträge durchgeführt. Von ihm hatte die Tochter das Talent geerbt, denn schon als junges Mädchen malte sie gut und gerne. Es war also naheliegend in die Fußstapfen des Vaters zu treten, zumal der Hang zur Malerei in der Familie lag: Auch ihr Onkel Fritz hatte eine Malerwerkstatt im nahegelegenen Halbau und so erlernte auch Cousin Hans diesen Beruf. Wie er ging Charlotte nach der Ausbildung im väterlichen Betrieb nach München. Sie absolvierte jedoch nicht die Meisterschule für das Deutsche Malerhandwerk wie Hans sondern ging an die Kunstgewerbeschule. Dort besuchte sie die Klasse für Dekorationsmalerei von Josef Hillerbrand (1892 – 1981).
Charlottes fröhliche Studentenzeit endete jedoch jäh mit dem frühen Tod ihrer drei Jahre älteren Schwester Helene. Im Winter 1935 verstarb diese in Folge der Grippeepedemie. Charlotte brach daraufhin ihr Studium ab und kehrte zunächst zurück zu den Eltern. Nach Kriegsbeginn erhielt sie 1939 eine Stelle bei den Deutschen Werkstätten in Dresden-Hellerau, was sie ihrer Ausbildung aber wohl vor allem ihrem abgebrochenen Studium – Josef Hillerbrand war einst ebenfalls in Hellerau tätig gewesen – zu verdanken hatte. Es war eine Zeit, an die sie später gerne zurückdachte. Mit dem Leiter der Werkstätten, Fritz Wurzler, und dessen Familie verband Charlotte eine lebenslange Freundschaft. Mit ihnen floh sie Anfang 1945 zunächst an die tschechische Grenze, kehrte aber bald nach Dresden zurück und erlebte dort den Luftangriff auf die Stadt am 13. und 14. Februar.
Nach dem Krieg kam Charlotte nach Stuttgart, wo sie bei dem Malermeister Eugen Bauer Arbeit fand. Anfang 1950 folgte sie jedoch der Einladung eines Freundes nach Australien und lebte fast 15 Jahre in Sydney. Nach ihrer Rückkehr aus Australien war sie in verschiedenen Möbelhäusern tätig. Im Ruhetand konnte sie sich schließlich einen lange gehegten Traum erfüllen: In der Restaurierungswerkstatt von Viktor Mezger in Überlingen restaurierte sie alte Gemälde und konnte von dem bekannten Meister noch Manches lernen. Charlotte Hoffmann starb hochbetagt im Alter von 93 Jahren. Mehr über Charlotte und ihre Familie gibt es unter: https://martin-opitz-bibliothek.de/de/sammlungen/vor-und-nachlaesse/nachlass-der-familie-hoffmann