Der dekorative Einband des Albums lässt eher Familienfotos oder malerische Urlaubsbilder vermuten: umso überraschter ist, wer die ersten Seiten aufschlägt und eine Gruppe Bauarbeiter mit Schaufeln erblickt. In diesem Album hat Karl August Hohmann nicht seine Urlaubserlebnisse, sondern den Bau der Talsperre in Marklissa dokumentiert. Allzu oft wird der dort als Bauleiter tätige Hohmann während der vierjährigen Bauzeit wohl nicht im heimischen Holzminden gewesen sein. Vielleicht hat er deshalb den Baufortschritt in insgesamt 36 Fotos festgehalten, um zu Hause zeigen zu können, wo er gewesen ist, wie die Arbeiten verlaufen sind und was seine Aufgabe dort war.
Vorrangiges Ziel dieses Bauvorhabens war der Hochwasserschutz der am Queis gelegenen Städte und Dörfer. Immer wieder hatten, zumeist in den regenreichen Sommermonaten, verheerende Hochwasser dort Brücken mitgerissen, Häuser zerstört und ganze Ortschaften überschwemmt. Eines der schlimmsten ereignete sich im Jahr 1897. Das zerstörerische Ausmaß dieses Ereignisses hatte zur Folge, dass nicht nur unmittelbare Hilfe für die Betroffenen vor Ort organisiert wurde, sondern weitreichendere präventive Maßnahmen diskutiert wurden. Drei Jahre später trat das Schlesische Hochwasserschutzgesetz in Kraft, das u.a. die Errichtung dreier Talsperren in dieser Region vorsah. Die erste der drei war die oberhalb von Marklissa zwischen 1901 und 1905 gebaute Queistalsperre. Durch sie sollten die bei Starkregen aus dem Isergebirge in die Täler strömenden Wassermassen reguliert und die Hochwassergefahr gebannt werden.
Die Entwürfe für die 45 Meter hohe Staumauer stammten von dem Hirschberger Ingenieur Bachmann, der sie nach den Empfehlungen des in diesem Fachgebiet erfahrenen Aachener Professors Otto Intze angefertigt hatte. Die Talsperre fasst bis zu 15 Millionen Kubikmeter Wasser und hat seinerzeit Baukosten in Höhe von etwas mehr als 2,6 Millionen Mark verursacht. Die Staumauer besteht aus Bruchsteinen des vor Ort gewonnen Gneis und Zementmörtel. Verbaut wurden 150.000 Säcke Zement, 20.000 m³ Sand, 2400 m³ Kalk, 460 Tonnen Stahl. Auch 32 Tonnen Dynamit wurden verbraucht. Während der Hauptbauzeiten waren im Schnitt 450 Arbeiter beschäftigt, von denen rund die Hälfte aus Österreich und Italien stammte. Diese hatten den einheimischen Kräften ihre Erfahrung im Bereich des Tunnelbaus voraus. An der Ausführung beteiligt war auch die Firma Liebold & Co aus Holzminden, bei der Hohmann tätig war. Ein Projekt, das zu den prestigeträchtigeren der Firma zu zählen schien, da es auch in den Werbeanzeigen aus dieser Zeit Erwähnung findet.
Doch die Talsperre diente und dient bis heute nicht nur dem Hochwasserschutz, sondern auch der Energiegewinnung. Nach der Fertigstellung wurde 100 Meter unterhalb der Dammkrone, am Fuße der Staumauer ein Wasserkraftwerk errichtet. Es wurden vier Turbinen eingebaut, zwei weitere folgten später. Bis heute ist die Originalanlagen in Betrieb und gilt als ältestes Wasserkraftwerk in Polen.
Dem Geleitwort bei Grundsteinlegung – „Den Tälern zum Schutz, den Wogen zum Trutz, dem Ganzen zum Schutz!“ – gemäß konnte die Queistalsperre und die von 1919 bis 1924 errichtete Talsperre Goldentraum die unterhalb liegenden Städte zwar nicht generell vor Hochwasser schützen, aber vor einer Katastrophe wie 1897 bewahren.