Am 27. Juli 1898 wurde in der deutschen Stadt Günberg eine Organisation für die dort lebenden Polen gegründet und „Gesellschaft Polnischer Handwerker“ genannt. Ihre Aufgabe war es, die dorthin kommenden und Arbeit aufnehmenden Polen, vor allem aus dem preußischen Teilungsgebiet, zusammenzubringen. In Grünberg fanden sie in den örtlichen Betrieben und Fabriken Beschäftigung. Gesucht waren vor allem Schmiede, Schlosser, Elektriker, Maurer oder Klempner. Die polnischen Fachleute fanden schnell und oft bei deutschen Firmen Arbeit, weil sie jung und arbeitswillig waren und hervorragend die deutsche Sprache beherrschten. Dazu unterschieden sie sich in Bezug auf die Alltagskultur nicht von der einheimischen Bevölkerung. Da es viele freie Arbeitsplätze gab, stellten die Polen auch keine Konkurrenz für die deutschen Arbeitnehmer dar.
In all den Jahren ihrer Existenz war Kazimierz Lisowski die bedeutendste Person der Gesellschaft, um die herum sich die nach Grünberg gekommenen Polen versammelten. Lisowski kam 1890 als Klempnermeister nach Grünberg und wurde in der Fabrik für Brückenbau und Eisenbahnkonstruktionen Beuchelt u. Co. eingestellt. Bereits um das Jahr 1892 eröffnete er seine eigene Klempnerwerkstatt an der heutigen Ulica Sienkiewicza. Er heiratete eine Deutsche, Berta Kube, mit der er zwei Töchter, Helena und Antonina und einen Sohn Edmund hatte. Lisowski übernahm die Führung der Organisation und inittierte als ihr langjähriger und einziger Vorsitzender die Treffen, vereinigte die polnische Gemeinschaft, organisierte alle Aktivitäten und erleichterte den anreisenden Polen den Start in das neue Berufsleben. Er war geschickt, tatkräftig, charismatisch und hatte großen Einfluss auf das örtliche polnische Milieu.
Das Ziel der Gesellschaft war vor allem die Konsolidierung der polnischen Gemeinschaft in einer deutschen Stadt, aber auch die Pflege der polnischen Traditionen und Bräuche. Es bot auch Gelegenheit, sich mit den Landsleuten, die in der gleichen Stadt lebten, in der Muttersprache zu unterhalten. Das Bewusstsein, dass es außer der deutschen Umgebung auch vertraute Menschen gab, mit denen man Polnisch sprechen, ein polnisches Lied oder einen Artikel in einer polnischen Zeitung lesen konnte, nahm an Bedeutung zu. Für die Gesellschaft interessierte sich eine bestimmte Gruppe Polen. Die Arbeit und Tätigkeit in der Gesellschaft konzentrierte sich ausschließlich auf polnische Angelegenheiten und das polnische Leben. Die Mitglieder versammelten sich, um Probleme der polnischen Gemeinschaft zu besprechen, neue Mitglieder aufzunehmen, ihre Muttersprache zu pflegen, Lieder zu singen und polnische Jahrestage zu feiern. Sie veranstalteten auch Treffen außerhalb des Gesellschaftssitzes: Feierlichkeiten, Tanzabende und Ausflüge und sie abonnierten und lasen polnische Zeitschriften und Literatur. In die Gesellschaft wurden ausschließlich Männer aufgenommen und es kam oft vor, dass ihre Söhne nach Erreichen des erforderlichen Alters ebenfalls zu Mitgliedern der Gesellschaft wurden. Die Handwerker trafen sich zu Veranstaltungen, zum Weihnachtsfest und zu Jahrestagen gerne im Familienkreis. Das alles hatte zum Ziel, die polnische Ortsgemeinschaft in einer deutschen Stadt zu integrieren.
Die 27-jährige Tätigkeit der Gesellschaft Polnischer Handwerker ging im September 1935 zu Ende, nachdem ihr Vorsitzender Kazimierz Lisowski verhaftet worden und während eines Verhörs im Sitz der Grünberger Gestapo zu Tode gekommen war. Die Situation der Polen in Deutschland und die Einstellung der Herrschenden des Dritten Reiches zu solchen Organisationen führten dazu, dass die Gesellschaft ihre Tätigkeit aufgab.
In der polnischen Stadt Zielona Góra sind bis heute Spuren der „Gesellschaft der Polnischen Handwerker“ zu finden. Auf der Grünfläche vor der Woiwodschaftsbibliothek befindet sich die Büste des Gesellschaftsvorsitzenden, in den 1970er und 1980er Jahren gab es in Grünberg eine K. Lisowski-Schule und noch heute ist eine Straße im Zentrum der Stadt nach ihm benannt.
Dieser Blogbeitrag ist ein Gastbeitrag aus dem Museum des Lebuser Landes in Grünberg (Muzeum Ziemi Lubuskiej). Das Bildmaterial entstammt der Sammlung des Museums. Mehr zum Museum und seinen Ausstellungen unter: https://mzl.zgora.pl/
Autor: Dr. Izabela Korniluk