KULTUR AUF REISEN

Schlesien ist mit kulturellen und landschaftlichen Höhepunkten reich gesegnet. Städte wie Breslau, Neisse oder Hirschberg faszinieren durch ihre Geschichte, historischen Bauwerke und das moderne pulsierende Leben. Wallfahrtsorte, Schlösser, Herrenhäuser und Burgruinen laden jeden Reisenden zur Besichtigung ein. HAUS SCHLESIEN versucht, mit einem wechselnden Reiseangebot den zahlreichen Sehenswürdigkeiten von Schlesien gerecht zu werden.
Studienreise 2023
Projekt Europa – Christliches Erbe in Schlesien: Zisterzienser, Friedenskirchen, Geschichte, Landschaft und Kultur





Studienreise in Kooperation von HAUS SCHLESIEN, Königswinter, mit der Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus Düsseldorf (GHH)
Leitung: Prof. Dr. Winfrid Halder, GHH Düsseldorf, Dr. Inge Steinsträßer, Bonn, Nicola Remig, HAUS SCHLESIEN, Dr. Katja Schlenker, GHH
Reiseagentur: INTERCONTACT Gesellschaft für Studien- und Begegnungsreisen mbH
Reisezeitraum: Sonntag, 11. Juni bis Sonntag, 18. Juni 2023
Seit mehr als einem Jahrtausend hat das Christentum Schlesien mitgeprägt. Mit der Gründung des Bistums Breslau im März des Jahres 1000 durch Kaiser Otto III. (980-1002) wird meist der Beginn der gezielten christlichen Missionierung des Landes beidseits der Oder datiert. Der Zuständigkeitsbereich des Oberhirten in der schon einige Jahrzehnte zuvor begründeten Stadt, die auch durch die Wahl zum Bischofssitz zur wichtigsten Metropole Schlesiens wurde, bildete seither eine Klammer, welche das Land jenseits wechselnder herrschaftlicher Zusammenhänge über Jahrhunderte verband. Seit 1051 kennen wir die Namen aller Breslauer Bischöfe (seit 1241 Fürstbischöfe, seit 1930 Erzbischöfe) bis heute, insgesamt weit über 70 an der Zahl. Im Jahre 1300 gab es innerhalb des Breslauer Bistums bereits 311 Orte mit eigenen Kirchen, es sollten noch viel mehr werden. Klar ist damit, dass es eine reichhaltige kirchliche (Bau-)Kultur gab – und gibt. Die ältesten Teile etwa des Breslauer Doms reichen bis in die Zeit der Bistumsgründung zurück.
Bald nach Beginn der Christianisierung wurden auch Ordensgemeinschaften in Schlesien präsent. Überragende Bedeutung erlangte dort, nicht zuletzt für den Landesausbau, der Zisterzienserorden. Diese im ausgehenden 11. Jahrhundert in Frankreich gegründete benediktinische Reformkongregation schuf binnen verhältnismäßig kurzer Zeit Niederlassungen in nahezu ganz Europa – das älteste Zisterzienserkloster in Schlesien Leubus/Lubiąż, direkt an der Oder gelegen, wurde 1175 gegründet. Die ersten Mönche, die dorthin entsandt worden waren, kamen aus dem Kloster Pforta, mithin aus der Nähe des heute zu Sachsen-Anhalt gehörenden Naumburg/Saale. Schon die Gründungsgeschichte verknüpft also die Geschichte der Zisterzienser in Schlesien mit deren Geschichte im heute deutschen Raum – und zugleich mit der Herkunftsregion der Zisterzienser im heutigen Frankreich. Denn das Kloster Pforta (1132) war eine Filialgründung von Kloster Walkenried, das, am südwestlichen Rand des Harzes (heute Niedersachsen) gelegen, seinerseits 1129 vom ältesten Zisterzienserkloster aus auf heute deutschem Boden gegründet worden, nämlich vom Kloster Kamp aus. Dieses ist 1123 – vor genau 900 Jahren also – in der Nähe des niederrheinischen Moers entstanden. Die ersten Mönche in Kamp aber kamen aus Morimond, 1115 als eine der fünf zisterziensischen Ursprungsabteien unweit des französischen Langres entstanden. Kloster Morimond aber hatte auch Filialgründungen im heutigen England, in Nordirland, in Italien, Spanien und Österreich – eine wahrhaft europäische Angelegenheit also.
Die Reise folgt also insbesondere den Spuren der Zisterzienser in Schlesien, dies zuerst, aber keineswegs ausschließlich in Leubus/Lubiąż, wo die einstige Klosteranlage eines der größten erhaltenen Barockgebäude in ganz Europa umschließt. Sie widmet sich aber auch anderen Orten und nicht zuletzt Persönlichkeiten des Christentums in Schlesien. So erreichte auch die reformatorische Bewegung frühzeitig das Land und wurde dort dauerhaft fruchtbar, sodass auch das evangelische Schlesien seit dem 16. Jahrhundert zahlreiche bedeutende Kulturzeugnisse und Persönlichkeiten hervorgebracht hat. Die schlesischen Friedenskirchen, errichtet nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648), als Schlesien unter der entschieden gegenreformatorisch eingestellten Herrschaft der katholischen Habsburgerdynastie stand, stellen einzigartige Beispiele des protestantischen Kirchenbaus dar. Breslau, dem am Ende der Reise besonders viel Zeit gewidmet wird, war jahrhundertelang Wirkungsstätte bedeutender Vertreterinnen und Vertreter der großen christlichen Konfessionen – beispielhaft seien an dieser Stelle nur der katholische Dichter Angelus Silesius (eigentlich Johannes Scheffler, 1624-1677) und sein evangelischer Zeitgenosse und Dichter-Kollege Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau (1616-1679) angeführt, der im „Hauptberuf“ nicht zuletzt zeitweilig als Breslauer Bürgermeister fungierte. Der gebürtige Breslauer Friedrich Schleiermacher (1768-1834) ist aus der Geschichte des deutschen Protestantismus im 19. Jahrhundert schwerlich wegzudenken. Bolesław Kominek (1903-1974), der erste katholische Breslauer Oberhirte nach 1945, hatte hohen Rang für die frühen Ansätze der polnisch-deutschen Versöhnung nach den Schrecken der brutalen deutschen Besatzungsherrschaft in Polen im Zweiten Weltkrieg. Und noch zahlreichen anderen Persönlichkeiten werden wir begegnen. Schließlich wird gerade in Breslau auch die ungemein wichtige und bedeutende Geschichte der jüdischen Gemeinde thematisiert, die mit den Gemeinden in Berlin und Frankfurt am Main lange Zeit eine führende Stellung im deutschen Judentum einnahm.
Gewissermaßen „nebenbei“ wird das versierte Begleit-Team viel schlesische Geschichte und Kulturgeschichte im Allgemeinen einfließen lassen.
Geplanter Programmablauf (Änderungen vorbehalten):
Sonntag, 11. Juni 2023
Anreise bis 17.00 Uhr im Haus Schlesien, Königswinter
18.00 Uhr Kleiner Imbiss, anschließend Einführung in das Thema „Die Zisterzienser in Schlesien und ihr kulturelles Erbe“ (Bildvortrag von Dr. Inge Steinsträßer)
Anschließend Abendessen und Übernachtung im HAUS SCHLESIEN
Montag, 12. Juni 2023
Frühe Abfahrt mit dem Reisebus. Kurzer Rundblick (in Abhängigkeit vom Fahrtverlauf) in Herrnhut, 1722 Gründungsort der evangelischen „Brüdergemeine“ (2016 mit der Bezeichnung „Reformationsstadt Europas“ ausgezeichnet). Weiterfahrt nach St. Marienthal bei Ostritz in der sächsischen Oberlausitz, unmittelbar an der Neiße gelegen, ältestes Zisterzienserinnenkloster in Deutschland, das seit seiner Gründung 1234 ununterbrochen besteht. Rundgang durch die kulturhistorisch bedeutende Klosteranlage. Evtl. Gespräch mit der Äbtissin Sr. Elisabeth Vaterrodt OCist.
Abendessen und Übernachtung im IBZ St. Marienthal.
Dienstag, 13. Juni 2023
Frühstück in St. Marienthal. Abreise nach Görlitz, einst bedeutender Handelsmittelpunkt an der Via Regia, einer der bedeutendsten mittelalterlichen Verkehrsverbindungen quer durch Europa von Santiago de Compostela nach Kiew (https://www.via-regia.org/=). Görlitz ist zugleich heute deutsch-polnische Grenzstadt an der Neiße, mit bemerkenswerter historischer Altstadt (Spätgotik-, Renaissance-, Barock-Bürgerhäuser). Stadtführung, einschließlich des ehemaligen Wohnhauses des christlichen Philosophen und evangelischen Mystikers Jakob Böhme (1575-1624). Individuelle Mittagspause.
Weiterfahrt nach Liegnitz/Legnica), erwähnt erstmals 1004, wichtiger Residenzort der schlesischen Linie der Piasten-Dynastie unter Herzog Boleslaw I. (1127-1201) und seinem Sohn Heinrich I. (um 1165-1238) – den späteren Gründern und Förderern der Zisterzienserabtei Leubus. Führung durch die historische Altstadt
Abendessen und Übernachtung in Liegnitz (Hotel Sekowski)
Mittwoch, 14. Juni 2023
Frühstück im Hotel. Fahrt nach Leubus/Lubiąż. Ältestes der schlesischen Zisterzienserklöster mit jahrhundertelanger, großer Bedeutung für Besiedlung und Erschließung der ganzen Region, Musterbeispiel für die enorme kulturelle und wirtschaftliche Wirkung einer zisterziensischen Niederlassung. Besichtigung des umfangreichen barocken Klosterkomplexes mit Kirche St. Maria Himmelfahrt, Fürstensaal, Refektorium, Sommerrefektorium des Abtes, Wirtschaftsgebäuden u.a.. Individuelle Mittagspause in Leubus.
Weiterfahrt durch das Bober-Katzbach-Gebirge, ehemaliges Leubuser Stiftsland nach Jauer/Jawor, vorbei an Weinberg/Winnica und Schlaup/Słup – ehemalige Grangie (Wirtschaftshof) und Stiftsdorf des Klosters Leubus – jeweils kurzer Stopp. In Jauer Besuch der evangelischen Friedenskirche „Zum heiligen Geist“, einem der bedeutendsten protestantischen Kirchenbauten in Schlesien (errichtet 1654/55; seit 2001 auf der Welterbe-Liste der UNESCO). Anschließend kleiner Stadtrundgang.
Rückfahrt nach Liegnitz, Abendessen und Übernachtung (Hotel Sekowski)
Friedenskirche in Jauer
Donnerstag, 15. Juni 2022
Frühstück im Hotel. Abfahrt zum ehemaligen Zisterzienserkloster Grüssau/Krzeszów – dritte Filialgründung von Leubus (1292) am Osthang des Riesengebirges, bedeutende böhmisch-österreichische Barockanlage aus dem 18. Jahrhundert mit Klosterkirche, Josephskirche mit Fresken des herausragenden Barockmalers Michael Willmann (1630-1706), der auch in Leubus wichtige Werke hinterlassen hat, Fürstengruft der Schweidnitzer Herzöge. Führung und Rundgang durch die Außenanlage.
Grüssau Josephskirche, Fresko von Michael Willmann
Nach individueller Mittagspause in Grüssau – Weiterfahrt nach Schömberg/Chełmsko Śląskie, einst Stiftsstadt des Klosters Grüssau an der Grenze zu Böhmen, Zentrum der Leinenweberei im 17./18. Jahrhundert, erhaltene Holzhauslaubenhäuser der „Webersiedlung 12 Apostel“ aus dem 17. Jahrhundert. Weiterfahrt nach Breslau über Kreisau/Kryzowa, ehemaliges Gut der Grafen von Moltke mit dem 1720 errichteten Schloss. Kreisau war auf Einladung des letzten deutschen Schlossherrn, Hellmuth James Graf von Moltke (1907-1945), Ort der Treffen der Widerstandsgruppe „Kreisauer Kreis“ im Zweiten Weltkrieg (https://www.kreisau.de/). Dort kamen entschiedene Gegner des NS-Regimes zusammen, insbesondere überzeugte Christen wie etwa der Jesuitenpater Alfred Delp (1907-1945) oder der evangelische Pfarrer Harald Poelchau (1903-1972) und entschlossene Sozialdemokraten wie Theodor Haubach (1893-1945) und Carlo Mierendorff (1897-1943). Führung, Besuch des „Berghauses“ (Nebengebäude und eigentlicher Treffpunkt des Widerstandskreises).
Kreisau, Berghaus
Kaffeepause möglich. Weiterfahrt nach Breslau. Abendessen und Übernachtung in Breslau (Hotel Kamienice Pod Aniołami neben dem Stadtschloss)
Freitag, 16. Juni 2023
Frühstück im Hotel. Führung durch die historische Altstadt (Rathaus, Ring, Universität u.a.) von Breslau/Wrocław. Nach individueller Mittagspause nachmittags Fahrt nach Trebnitz/Trzebnica. Dort Besuch des einzigen Zisterzienserinnenklosters in Schlesien, gegründet 1202 durch Herzog Heinrich I. (um 1165-1238) und seine Ehefrau, die später heiliggesprochene Hedwig von Andechs (1174-1243), die wie ihre Nichte, die Hl. Elisabeth von Thüringen (1207-1231), die zisterziensische Bewegung entschieden förderte. Erstes Frauenkloster des Bistums Breslau, bedeutende Klosteranlage aus dem 18. Jahrhundert, Grablege der Hl. Hedwig, die bis heute als eine der herausragenden Persönlichkeiten gilt, die Deutsche und Polen miteinander verbindet.
Kloster Trebnitz
Abendessen und Übernachtung in Breslau (Hotel Kamienice Pod Aniołami)
Samstag, 17. Juni 2023
Frühstück im Hotel. Vormittags Programm-Alternativen für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer: Jüdische Spuren in Breslau: Erkundung der überaus bedeutsamen Geschichte der jüdischen Gemeinde in Breslau, die bis ins frühe 13. Jahrhundert zurückreicht. Aus ihr gingen neben Edith Stein (1891-1942) auch zahlreiche andere bedeutende Persönlichkeiten hervor, so etwa Ferdinand Lassalle (1825-1864), eine der wichtigsten Gründergestalten der Sozialdemokratie, oder Fritz Haber (1868-1934), der 1918 den Nobelpreis für Chemie erhielt (Besuch der Synagoge zum Weißen Storch, des Jüdischen Friedhofs u. a.). Oder Besuch im Stadtschloß (Dauerausstellung „1000 Jahre Breslau“). Individuelle Mittagspause. Nachmittags Freizeit in Breslau. De Teilnahmewünsche für die Programm-Alternativen werden zu Beginn der Reise abgefragt.
Breslau. Jüdischer Friedhof
Abendessen und Übernachtung in Breslau (Hotel Kamienice Pod Aniołami)
Sonntag, 18. Juni 2023
Rückreise nach Königswinter
Evtl. individuelle Übernachtung im HAUS SCHLESIEN (nicht im Reisepreis)
Dr. Inge Steinsträßer, Bonn / Prof. Dr. Winfrid Halder, GHH / Nicola Remig, HAUS SCHLESIEN
Informationen:
Preis:
1.120 € pro Person im Doppelzimmer für Mitglieder des Vereins HAUS SCHLESIEN
1.240 € pro Person im Doppelzimmer
Einzelzimmerzuschlag 125 €
Reise im modernen Reisebus, 1 Übernachtung im HAUS SCHLESIEN mit Einführungsabend,
1 Übernachtung in Ostritz, 2 Übernachtungen in Liegnitz, 3 Übernachtungen in Breslau inkl. Frühstück, Halbpension, Programm, Führungen und Eintritte, Audiosystem Quietvox, wissenschaftliche Reiseleitung und deutschsprachige polnische Reisebegleitung.
Zu Beginn der Reise wird ein Barbetrag von 50 € pro Person eingesammelt für nicht vorab planbare Kosten im Zusammenhang mit dem Kulturprogramm und Gebühren. Nicht benötigtes Geld wird am Ende der Reise mit Ihnen abgerechnet.
Anmeldung:
Anmeldeformular herunterladen: Hier klicken
INTERCONTACT Studien- und Bildungsreisen:
Marco Dietz
Tel. 02642-2009-18
Fax. 02642-2009-38
mdietz@ic-gruppenreisen.de
website: www.intercontact-reisen.de
Informationen zum Reiseverlauf:
HAUS SCHLESIEN
Nicola Remig
Tel. 02244 886 232
kultur@hausschlesien.de oder remig@hausschlesien.de
HAUS SCHLESIEN – Dollendorfer Str. 412 – 53639 Königswinter-Heisterbacherrott
Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus
Direktor Prof. Dr. Winfrid Halder
Tel. 0211 16991-12
Bismarckstr. 90 – 40210 Düsseldorf
Bericht Beethovenreise 2022







Beethoven – die zweite!
„Auf den Spuren Ludwig van Beethovens in Böhmen-Mähren-Schlesien“
Kulturreise von und mit HAUS SCHLESIEN vom 8. bis 17. Mai 2022
Biografie und Werk Ludwig van Beethovens bildeten den Rahmen der gesamten Reise, eingebettet in eine wunderschöne Landschaft und in eine Vielfalt historischer Orte, die man von vornherein nicht unbedingt mit dem Komponisten in Verbindung bringen würde.
Ein musikalischer Einführungs- und Kennenlernabend am 8. Mai im HAUS SCHLESIEN steigerte die Vorfreude auf die Reise, nicht zuletzt durch die entzückenden kleinen Beethoven-Sonatinen für Mandoline und Klavier (WoO 44b, 43 b, 43 a), vorgetragen von der erst sechzehnjährigen Svenja Lienemann aus Hennef, begleitet von der Bonner Pianistin Liudmila Giovoina am Gerhart Hauptmann-Flügel.
Mit einem bequemen Bus von Decker-Reisen aus Königswinter starteten wir am nächsten Morgen erwartungsvoll in Richtung Dresden. In der sächsischen Residenzstadt hatte Beethoven 1796 bei Kurfürst Friedrich August III. eine Kostprobe seines Könnens am Piano gegeben, ehe er nach Leipzig und Berlin weiterreiste. Wir erlebten in Dresden eine hervorragende Stadtführung, die uns einen anschaulichen Überblick über das Musikschaffen am sächsischen Hof und einen Einblick in die wechselvolle Stadtgeschichte vermittelte.
Unsere nächste Station Oberglogau (poln. Głogówek) in Oberschlesien bewahrt mit dem jährlich stattfindenden Beethoven-Festival die Erinnerung an Beethovens Besuch im Jahre 1806 in Begleitung seines Hauptmäzens, Fürst Karl von Lichnowsky (1761-1814). Im örtlichen Museum, einer Partnerorganisation von HAUS SCHLESIEN, wurde uns durch den Leiter, Aleksander Devosques-Cuber, ein überaus herzlicher Empfang bereitet. Wir erlebten nicht nur eine interessante Führung durch das in Restaurierung befindliche Schloss und die Stadt, sondern nahmen in der prächtig ausgestatteten Stadtpfarrkirche St. Bartholomäus an einem eigens für uns vorbereiteten kleinen Orgelkonzert teil, ergänzt durch den klangvollen Gesang eines jungen Baritons.
Den Abend beschlossen wir in einem familiär geführten Hotel im oberschlesischen Neustadt (Prudnik), dicht an der Grenze zur Tschechischen Republik.
Am dritten Reisetag stand Jägerndorf (tschechisch Krnov), ein ehemals eigenständiges schlesisches Herzogtum, geprägt von den Fürsten von Liechtenstein, auf dem Plan. In Jägerndorf besuchten wir die Synagoge, durchwanderten die nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges restaurierte Innenstadt mit Minoritenkirche, Stadtpfarrkirche St. Martin, der gotischen Heilggeistkirche, heute Konzertsaal und setzten uns auf die Spuren des Jugendstilarchitekten Leopold Bauer (1872-1938). Die Wallfahrtskirche zur Schmerzhaften Muttergottes auf dem die Stadt alles überragenden Hausberg Cvilín ließ etwas von der Volksfrömmigkeit vergangener Zeiten erahnen. Von weit her grüßte uns hier schon der Gipfel des Altvaters, begehrtes Ziel unseres späteren Erholungsausflugs ins Gebirge.
Für die nächsten Tage hatte erst einmal das Leben aus dem Koffer ein Ende. Im Hotel Koruna in Troppau (tschechisch Opava) checkten wir für vier Nächte ein. Ein ausgiebiger Stadtrundgang machte uns mit der einstigen Hauptstadt (bis 1918) des kleinsten österreichischen Kronlandes näher bekannt. Wir entdeckten zu unserer Freude auch die Beethovengasse, an deren westlichen Ende sich im ehemaligen Mutterhaus der Deutschordensschwestern das „Kirchliche Konservatorium des Deutschen Ordens“ (Církevní konzervatoř Německého řádu) befindet, wo wir in den Genuss eines unvergesslichen Beethoven-Konzertes durch Studierende und Dozenten kamen. Die vom kleinen Kammerchor in deutscher Sprache vorgetragene „Ode an die Freude“ ließ uns alle miteinstimmen und die Hoffnung aufkeimen, die Welt möge tatsächlich angesichts aller politischer Krisen eine bessere werden.
Schloss Grätz (Hradec nad Moravici) war für uns Beethoven-Reisende ein absolutes Muss: Hier verbrachte Beethoven nachweislich 1806 und 1811 mehrere Wochen auf Einladung von Karl Lichnowsky. Dem Fürsten hatte Beethoven u.a. seine 2. Sinfonie und die Klaviersonate Nr. 8 c-moll, op. 13, die „Pathétique“ gewidmet. Das Schloss, heute ein Museum, birgt viele Erinnerungen an die Familie Lichnowsky, die bis 1945 hier lebte.
Ein Highlight unserer Reise war eine Tagesexkursion nach Olmütz (Olomouc), in die frühere Hauptstadt Mährens. Wir streiften unter der kompetenten Leitung des städtischen Tourismusführers, Stefan Blaho, durch eine liebenswerte Stadt mit zahlreichen schönen Gebäuden, Plätzen zum Verweilen, einem umfassenden Kulturleben und vielen sehenswerten Sakralbauten, allen voran der gotische Wenzelsdom.
Mährisch-Schlesien mit etwas Wehmut verlassend, begaben wir uns im letzten Teil unserer Reise nach Teplitz (Teplice) in Nordböhmen. Ein Zwischenstopp beim Schloss Doudleby (Daudleb) an der Adler in Ostböhmen, seit Jahrhunderten im Besitz der Grafen von Bubna-Litic, brachte uns nicht nur eine Stärkung mit leckeren Buchteln und Kaffee, sondern auch eine Begegnung mit dem Schlossherrn Peter Dujka und vor allem mit seiner Schwester, Monica Bubna-Litic, die so vieles zum Gelingen unserer Reise beigetragen hatte.
In Teplitz, dem seinerzeit mondänsten Kurort Europas, begaben wir uns wiederum auf Beethovens Spuren. Hier hatte 1812 das legendäre Treffen zwischen Beethoven und Goethe stattgefunden. Von beiden Kunstschaffenden lange herbeigesehnt, führte es aber nicht zur erhofften Harmonie. Beethoven kritisierte das in seinen Augen unterwürfige Verhalten des Dichterfürsten dem anwesenden Adel gegenüber, Goethe empfand Beethoven als „eine ungebändigte Persönlichkeit“, die sich nicht um die üblichen gesellschaftlichen Umgangsformen scherte.Hier in Teplitz hatte das hiesige Konservatorium für unsere Gruppe wiederum ein begeisterndes Beethoven-Konzert arrangiert, welches dem von Troppau in nichts nachstand.Unser Abendessen nahmen wir im Café Beethoven ein, ehemals Gasthof „Zur Harfe“, wo Beethoven bei seinem Aufenthalt 1812 logiert hatte. Das Geheimnis um den berühmten Brief Beethovens an seine „unsterbliche Geliebte“, von Solveig Palm anschaulich in Auszügen aus ihrem Bühnenstück „Es musste sein – fast eine Liebesgeschichte“ (2020) geschildert, ergänzt durch die Komposition „Andante favori“ (WoO 57), ließ sich jedoch bei allen lebhaften Spekulationen um die Identität der Unbekannten nicht lüften. Beethoven nahm das Geheimnis mit ins Grab!
Beethovens 2. Sinfonie begegnete uns am vorletzten Reisetag noch einmal am Beethovendenkmal in Karlsbad. An seinen Freund Franz Gerhard Wegeler hatte der Komponist am 16. November 1801 während der Arbeit an diesem Werk geschrieben: „Ich will dem Schicksaal in den Rachen greifen, ganz niederbeugen soll es mich gewiß nicht“. Auf einem der Reliefs am Karlsbader Denkmal finden sich diese bemerkenswerten Worte wieder. In der Literatur wird die Entstehung der 2. Sinfonie als ein wichtiges Zeugnis für die inneren Kämpfe Beethovens gewertet, als seine fortschreitende Ertaubung immer deutlicher wurde.
Karlsbad und Franzensbad in Westböhmen als bekannte historische Kurorte im Dreibädereck, setzten zwei großartige Schlusspunkte unseres Beethoven-Memorial. Die gesamte Exkursion, voller intensiver Eindrücke und Erlebnisse, bleibt allen Mitreisenden in bester Erinnerung.
Inge Steinsträßer