Obwohl Deutschland seit September 1939 Krieg führte, ging der Alltag in Schlesien nach außen hin seinen gewohnten Gang. Theater, Oper und Varietés boten den Breslauern ein umfangreiches und abwechslungsreiches Kultur- und Unterhaltungsprogramm. Schlesien blieb von den Kriegshandlungen lange verschont, zudem nährten die schnellen militärischen Erfolge in Polen und an der Westfront zunächst die Hoffnung eines baldigen Kriegsendes. Es mag also nicht verwundern, dass man sich weiterhin der leichten Unterhaltung zuwandte und an Zauberkünstlern, Musik und Weihnachtsmärchen erfreute.
Im Breslauer Liebich-Magazin vom Dezember 1939 wurde wortreich „[d]ie Schau der unbegrenzten Möglichkeiten“ angekündigt und noch im April 1943 warb das Liebich-Theater für das Programm des Kabarettisten Werner Kroll. Das Varieté in der Breslauer Gartenstraße bestand seit 1885 und bot Platz für bis zu 1500 Personen. Es erfreute sich eines guten Rufes und zog viele namhafte Künstler an, unter ihnen den Komiker Carl Napp (1890-1957), den in Jauer geborene Humoristen Manfred Lommel (1891-1962) und Alois Kassner (1887 – 1970) mit seiner im Programmheft erwähnten „Schau der unbegrenzten Möglichkeiten“. Der in Groß Gohlau bei Breslauer geborene Zauberkünstler begeisterte durch eine einzigartige Illusionsschau, deren große Attraktion darin bestand, dass er eine Gruppe Menschen und sogar seinen Elefanten Toto verschwinden ließ.
Die bunten Bühnenshows und Kabarettstücke versprachen Abwechslung, dienten aber vor allem der Ablenkung, weshalb man lange bemüht war, den Betrieb mit möglichst wenigen Einschränkungen aufrechtzuerhalten. Doch blieben auch die Unterhaltungsbetriebe von der Politik nicht unbehelligt. Wer nicht die von Joseph Goebbels propagierte „kriegswichtige gute Laune“ verbreitete oder gar das nationalsozialistische Regime kritisierte, erhielt Berufsverbot.
Im Rahmen des „Totalen Krieges“ wurde aber auch diesen Vergnügungen schließlich ein Ende gesetzt und ein Kinobesuch blieb in den letzten Kriegsmonaten die einzige Möglichkeit der Zerstreuung. Am 25. August 1944 verkündete die Schlesische Zeitung, dass alle Theater, Varietés, Kabaretts und Schauspielschulen spätestens am ersten September geschlossen würden. Orchester, Musikschulen und Konservatorien mussten die Arbeit einstellen und nur führende Orchester, die für den Rundfunk benötigt wurden, waren davon ausgenommen.
Seit Anfang des Jahres 1945 tobte um Breslau ein erbarmungsloser Festungskampf, die Zivilbevölkerung musste Mitte Januar bei eisiger Kälte die Stadt verlassen – an Theater- und Varietébesuche war spätestens zu diesem Zeitpunkt ohnehin nicht mehr zu denken.
Während das Liebich-Theater im Festungskampf erhalten geblieben ist – wenn auch beschädigt – und später weiter als Theater genutzt wurde, hat Kassners Elefant Toto den Krieg nicht überlebt.